Windshears / Scherwinde sind lokale, plötzliche Änderungen der Windrichtung. Sie sind Gefahren in der Fliegerei. Der kürzlich veröffentliche Schlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungstelle (SUST), zum Unfall der Ju 52 HB-HOT am 4. August 2018 bei Flims, nennt als letztendliche Absturzursache einen Strömungsabriss durch Einflug aus einer Abwind- in eine Aufwindzone.
Windshears setzen turbulente Strömungsverhältnisse voraus. Turbulenzen können durch das Relief (Berge, Häuser, etc.), in Wetterfronten, am Rande von Gewittern oder bei starker Thermik entstehen. Sie können Hauptwindkomponenten in der Horizontalen oder Vertikalen haben.
Horizontale Windshears sind dann kritisch, wenn aus einer Gegenwindkomponente unmittelbar eine Rückenwindkomponente wird. Fliegt ein Flugzeug langsam, z.B. im Landeanflug, so lässt seine Trägheit nur verzögert auf den Wechsel der Windrichtung von Gegenwind zu Rückenwind reagieren und es kommt plötzlich zu gefährlich reduzierten Anströmungen, bis hin zum Stall.
Vertikale Windshears, typisch beim Durchgang einer Kaltfront oder bei lokalen thermischen Gewittern, können ein Flugzeug herunterdrücken, was auch wieder im Landeanflug gefährlich ist. Man spricht dabei auch von Microbursts.
Ich möchte kurz eine irrige Vorstellung unter einigen wenigen Piloten korrigieren. Diese meinen, wenn man bei starkem Gegenwind eine 180 Grad Kurve macht, dann kommt der kräftige Wind nun von hinten, was ja einem Windshear entsprechen würde. Vorausgesetzt es hat keine Turbulenzen, man fliege also in einer laminaren Strömung, dann befindet man sich in einem ruhigen Luftpaket, egal wie sich dieses gegenüber dem Boden verschiebt. In diesem stabilen Luftpaket kann man getrost seine Flugmanöver machen, ohne sich um Scherwinde zu sorgen.
Wie die SUST in ihrem Bericht feststellt, ist die Besatzung der Ju 52 grosse Risiken eingegangen. Sie flog tief in den Talkessel beim Piz Segnas ein, etwa um den Passagieren das Martinsloch zu zeigen, hielt sich dabei in der Talmitte, ohne Möglichkeit einer Umkehrkurve, und hatte nur eine Höhenmarge von 100 Metern zum vorausliegenden Segnespass. Im Windschatten der Tschingelhörner begegneten die Piloten Turbulenzen. Sie reduzierten die Leistung, wohl um deren Einwirkung auf das Flugzeug etwas abzuschwächen. Gleichzeitig gerieten sie im Lee in Abwinde, sodass sie die schon langsame Maschine nochmals stärker anstellen mussten, um die Höhe zu halten. Unverhofft gerieten sie in die Aufwindzone des Piz Segnas, d.h. der Wind kam nun von unten, sodass der Winkel der Anströmung kritisch wurde und zu deren Abriss führte. Die geringe Höhe über Grund erlaubte kein Auffangen mehr.
Fazit für unsere Privatfliegerei, in Anlehnung an meinen Safetybeitrag „Fliegen in den Alpen“: genügende Sicherheitsmargen punkto Höhe, Geschwindigkeit, Leistung und Umkehrmöglichkeiten einhalten. Bei Turbulenzen nicht unnötig Gas reduzieren, sondern die safe maneuvering speed einhalten, damit man sicher und wirksam reagieren kann. Und bei Turbulenz im Landeanflug mit etwas weniger Klappen und etwas höherer Geschwindigkeit anfliegen. Auch wieder, weil dann die Steuerdrücke etwas stärker sind und die Maschine rascher anspricht.
Stephan Westphalen
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